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Abflug nach Sicht

Die allermeisten Abflüge unter Instrumentenflugregeln geschehen entlang einer Standard-Instrumentenabflugroute (SID). Doch das muss längst nicht immer so sein: so gibt es beispielsweise auch den radargeführten Abflug (vectored departure) und weiterhin den Abflug nach Sicht (visual departure). Dieser Artikel beschreibt den Sichtabflug.


Was ist ein Abflug nach Sicht?

Der Sichtabflug ist zunächst einmal ein Verfahren unter Instrumentenflugregeln. Das klingt zuerst etwas paradox, ist aber eigentlich ganz logisch: Unter VFR fliegt der Pilot immer nach Sicht. Beim Instrumentenflug ist dies jedoch der absolute Ausnahmefall und darf nur unter bestimmten Rahmenbedingungen und Voraussetzungen (so wie hier) geschehen.

Beim Sichtabflug orientiert sich der Pilot nicht an seinen Instrumenten, sondern stellt durch Sichtkontakt sicher, dass er beim Abflug frei von Hindernissen bleibt.

Warum gibt es dieses Verfahren?

Auch das liegt auf der Hand. Bei der Planung einer SID spielen unzählige Faktoren eine Rolle: Hindernisfreiheit, Luftraumstruktur, Lärmentwicklung und viele weitere. Eine SID muss so geplant werden, dass auch ein enorm leistungsschwaches Luftfahrzeug sie abfliegen kann, ohne in Probleme zu geraten. Entsprechend lang können die Umwege sein, die daraus entstehen. Bei einem Sichtabflug nimmt der Pilot all diese Risiken auf seine eigene Kappe und kann dadurch im Gegenzug viel Zeit und Weg sparen.


Welche Bedingungen müssen erfüllt sein?

Damit ATC einen Sichtabflug genehmigen darf, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Das Verfahren muss entweder vom Piloten angefragt oder von ihm genehmigt worden sein. ATC darf es dem

Piloten nicht aufzwingen.

  • Die Hauptwolkenuntergrenze muss oberhalb der Radarführungsmindesthöhe liegen. Ist dies nicht der Fall, darf

ATC das Verfahren ausnahmsweise trotzdem gestatten, falls der Pilot direkt vor dem Abflug (also am Rollhalt) bestätigt, dass er das Verfahren trotz des widrigen Wetters sicher durchführen kann.

  • Nachts ist der Sichtabflug nicht gestattet.
  • Der Sichtabflug muss in der Höhe beschränkt werden. Dazu gleich mehr.
  • Das Verfahren muss mit der Lärmschutzkommission des Flughafens besprochen worden sein. So etwas haben wir

auf IVAO natürlich nicht, deshalb zieht hier bitte die FIR-Seiten zu Rate.



Und wie geht das jetzt genau?

Die Freigabe für den Sichtabflug gebt ihr gemeinsam mit der Streckenfreigabe - also dort, wo ihr normalerweise die SID nennen würdet. Sie hört sich beispielsweise so an:

ATC: Lufthansa 123, advise able to accept visual departure direct LBE.

Lfz: Lufthansa 123, able to accept visual departure, runway 15.

ATC: Lufthansa 123, visual departure runway 15 approved, turn right direct LBE, maintain visual reference to the terrain until 2000 ft.

Lfz: liest zurück

Statt dem direkten Flug zu einem Funkfeuer könntet ihr natürlich auch einen Steuerkurs anweisen.

Woher kommen die 2000 ft? Das ist die im betreffenden Bereich gültige Radarführungsmindesthöhe. Nach dem Durchsteigen dieser MVA hat der Sichtabflug keinerlei Relevanz mehr, denn ab hier darf ATC das Flugzeug ohnehin mittels Vektoren auf beliebigen Wegen führen. Ab dieser Höhe ist das Verfahren also beendet.


Was ist noch zu beachten?

Der Sichtabflug überträgt die Verantwortung für die Hindernisfreiheit auf den Piloten. Nicht übertragen wird aber die Verpflichtung zur Staffelung, diese verbleibt beim Lotsen! ATC muss also sicherstellen, dass der Flugweg des Piloten frei von anderem Verkehr ist und das mehrere Sichtabflüge nicht zu dicht hintereinander starten.