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Koordination für Center-Lotsen

Lotsen ist Teamarbeit, deswegen ist es extrem wichtig, dass man miteinander spricht oder schreibt, also koordiniert. Damit nicht für jede Flugbewegung alles erneut besprochen werden muss gibt es die LoA. In diesen Letter of Agreements sind die häufigsten Situationen standardisiert zusammengefasst.

Es lässt sich jedoch längst nicht jede Situation im Vorhinein niederschreiben, deswegen muss gerade im Bereich des Center-Lotsen oft mit den umliegenden Lotsen koordiniert werden. Im Prinzip kann man sagen: alles, was einen anderen Sektor betrifft und nicht in den LoA steht, muss separat abgeklärt werden, dazu nur ein paar Beispiele:

  • Freigaben in fremde Lufträume hinein
    • Directs
    • Steig-/Sinkflüge bei Überflug der Sektorgrenze
  • Sonderwünsche von Piloten
  • Notfälle


In der Realität gibt es in der Regel einen “Planner”, der sich um die Koordination mit den umliegenden Sektoren kommuniziert und den Verkehr vorplant sowie einen “Executive”, der mit den Piloten spricht. Auf IVAO wird beides von einer Person ausgeführt. Dies kann gerade bei hohem Verkehrsaufkommen zur Belastung werden. Daher empfehlen wir: Das Radarbild und der eigene Sektor sollten immer Priorität vor der Koordination mit umliegenden Stationen haben. Gerade Approval Requests und Release-Anfragen, die anderen Sektoren helfen, stehen bei viel Verkehr unten in der Prioritätenliste. Anfragen von annehmenden Sektoren sollten jedoch in jedem Fall gelesen und mindestens mit “rgr” bestätigt werden. {The receiving unit states the condition}

Praktische Beispiele (Zwischen Sektor A und B)

Release

Definition

Ein Release ist eine Genehmigung des übergebenden Sektors für den übernehmenden Sektor, die Kontrolle für ein bestimmtes Luftfahrzeug bereits vor dem regulären Kontrollübergabepunkt (Transfer of Control) zu übernehmen. Ein Release bedeutet jedoch nicht, dass man zwangsläufig alles mit dem Flieger machen kann. Den Flugweg des Luftfahrzeuges darf man maximal um 45 Grad nach links bzw. rechts verändern. Als übergebender Sektor gilt es zu beachten, dass fremde Sektoren Luftfahrzeuge im eigenen Sektor nicht unbedingt kennen oder sehen. Sollte also Konfliktpotenzial mit anderen Luftfahrzeugen bestehen, ist der Release einzuschränken oder abzulehnen.

Formen von Releases

  • RELEASE - Der annehmende Sektor darf Geschwindigkeit, Höhe sowie Kurs (+/- 45 Grad) des Luftfahrzeuges verändern
  • RELEASE FOR CLIMB/DESCEND [LEVEL] - Der annehmende Sektor darf lediglich die Höhe des Luftfahrzeuges verändern, ein maximales/minimales Level kann dabei übermittelt werden.
  • RELEASE FOR [LEFT/RIGHT] TURN - Der annehmende Sektor darf den Kurs des Luftfahrzeuges um +/- 45 Grad vom erwarteten Flugweg verändern.
  • RELEASED DCT [WAYPOINT] - Der annehmende Sektor darf das Luftfahrzeug zu einem bestimmten Wegpunkt drehen.
  • RELEASED SYD [CALLSIGN] - Ein Release wird erteilt, die Staffelungpflicht zu einem oder mehreren Luftfahrzeugen wird mit an den nächsten Sektor übertragen. Dabei ist mindestens das Rufzeichen der betreffenden Luftfahrzeuge zu erwähnen. SYD steht hierbei für “Subject to your discretion”.

Beispiel zu Release SYD:

In folgender Situation fordert der EDMM_ALB ein Release für DLH13T vom EDGG_DKB. Allerdings hat der DKB-Sektor noch einen weiteren kreuzenden Verkehr in FL230, der den weiteren Steigflug von DLH13T behindert. Mit DLH13T released SYD SWR2FR überträgt der DKB-Sektor die Verantwortung zur Staffelung auf ALB, dieser darf also DLH13T weitersteigen lassen, sobald sie frei ist von SWR2FR. Release SYD.png

Besonderheiten bei vertikaler Übergabe:

Bei einer vertikalen Luftraumstruktur ist ein Release dann nicht erforderlich, wenn der übergebende Sektor das Luftfahrzeug in das letzte Levels seines Sektors gecleared hat. Der annehmende Sektor darf das Luftfahrzeug dann ohne Release runter- bzw. hochnehmen.

Beispiel:

Wir gehen davon aus, dass in folgendem Beispiel (aus Sicht EDMM_ALB) keine Releases durch eine LOA gegeben wurden. Die Stuttgart-Abflüge über ABTAL werden steigend auf FL140 direkt an den EDMM_ALB übergeben. Außerdem hat er einen Flug von Rhein (EDUU_ISA) übergeben bekommen. Welche Flieger darf er hier ohne weitere Koordination direkt hoch- bzw. runternehmen?

Resposibility.png

  • DLH13T: Darf NICHT ohne Koordination mit EDGG_NKR hochgenommen werden, obwohl er in das höchste Level von EDDS_APP freigegeben wurde, da der Flieger sich noch nicht in der lateralen Begrenzung des EDMM_ALB befindet.
  • SWR2FR: Darf ohne weitere Koordination hochgenommen werden, da er in das letzte verfügbare Level von EDDS_APP gecleared ist. Damit darf EDMM_ALB den Flieger in seinen Sektorgrenzen ohne Release hochnehmen.
  • DLH45X: Der Flieger darf NICHT ohne Release hochgenommen werden, bevor er den Luftraum des EDDS_APP lateral verlassen hat, da er NICHT in das höchste Level von EDDS_APP freigegeben wurde.
  • UAE459: Der Flieger darf ohne Release von EDMM_ALB weiter runtergenommen werden, da er in das niedrigste Level von EDUU_ISA freigegeben wurde.

Phraseologie:

Lotse B möchte nun aus willkürlichen Gründen unsere DLH123 drehen und steigen lassen, benötigt dafür aber die Befugnisse von Sektor A - er ist ja noch der Chef im Ring. Ist ja auch sein Ring.

Koordination freie Übersetzung
B: Request release DLH123 (for turn/climb) Ich würde gerne DLH123 drehen und steigen lassen, wie schaut's aus?

Simple Antwort: (Not) released.

Die Frage kann auch generell, sehr spezifisch oder in Abhängigkeit von anderem Verkehr (wenn vom anfragenden Sektor bereits erkannt) gestellt sein sein: "request release DLH123", "request release DLH123 for turn to <WAYPOINT>", "request release DLH123 SYD SWR321".

Approval Request

Definition

Ein Approval Request ist eine Freigabe eines anderen Sektors, die erforderlich ist, wenn:

  • ein Luftfahrzeug entgegen der Standardverfahren basierend auf den LOAs übergeben werden soll (Directs, anderes Level, weniger Spacing)
  • ein Luftfahrzeug durch eine Veränderung des Flugwegs in einen nicht auf der Route liegenden Sektor einfliegt
  • ein Luftfahrzeug nicht “at Level", sondern steigend oder sinkend übergeben wird.

Beispiele:

1. Ein Luftfahrzeug befindet sich im Abflug von Frankfurt nach München auf der Abflugroute CINDY3S über CINDY. Der Abfluglotse möchte dem Flieger ein direktes Routing nach Dinkelsbühl (DKB) anbieten und fragt wie folgt bei dem EDGG_DKB_CTR nach:

Sektor A Sektor B
B: APPROVAL REQUEST CINDY DLH13T DCT DKB (Not) Approved

APPROVAL REQUEST CINDY DLH13T DCT DKB oder APPROVAL REQUEST near Frankfurt DLH13T DCT DKB


2. Ein Luftfahrzeug wird auf dem T104 laut LOA von Rhein nach München auf Flugfläche 250 übergeben. Da Rhein aktuell mehrere Inbounds nach München hat und auf das horizontale Spacing zwischen zwei Fliegern verzichten möchte, fragt der Lotse nach, ob er einen der Flieger auf FL230 abgeben kann. Dafür braucht er jedoch auch das Einverständnis von dem unter Rhein liegenden Langen-Sektor. Es sind also zwei Approval-Requests wie folgt einzuholen:

Rhein an München: APPROVAL REQUEST (near) DKB DLH13T AT FL230

Rhein an Langen: APPROVAL REQUEST for airspace crossing near DKB DLH13T descending FL230

APPROVAL REQUEST LOA.png


3. EDGG_DLD möchte einen Flieger im Steigflug aus Düsseldorf auf dem Weg nach Frankfurt einen direkten Flugweg nach ROLIS anbieten. Dazwischen liegt in vereinfachter Darstellung der Lufträume über Köln der EDGG_NOR-Sektor, der den Flieger nicht kennt, da der Flieger auf seiner normalen Abflugroute direkt vom DLD an den EDGG_TAU-Sektor übergeben worden wäre. Es ist also zusätzlich zur Koordination mit dem TAU-Sektor auch der NOR-Sektor zu fragen, ob er mit "Additional Traffic" oder einem "Airspace Crossing" einverstanden ist: Approval Request for airspace crossing departure Düsseldorf DLH13T DCT ROLIS climbing FL220 oder Approval Request for additional traffic departure Düsseldorf DLH13T DCT ROLIS climbing FL220. Der annehmende Sektor (NOR) kann dabei darüber entscheiden, ob der Flieger sich zusätzlich noch auf seiner Frequenz melden soll. Trifft er keine Aussage darüber, ist bei einem Airspace Crossing nicht davon auszugehen, dass er noch mit dem Flieger sprechen möchte, wohingegen bei einer Additional Traffic Anfrage davon auszugehen ist, dass er den Flieger auf seiner Frequenz erwartet und die weitere Koordination mit nachfolgenden Sektoren übernimmt.

APPROVAL REQUEST FOR AIRSPACE CROSSING.png


4. Ein Flieger befindet sich im Sinkflug nach München auf dem T104. Laut LOA soll er von Rhein nach München auf 250 an der Sektorgrenze übergeben werden. Wenn es nicht möglich ist, diese LOA einzuhalten, kann man den Flieger “descending” koordinieren: APPROVAL REQUEST (near) DKB DLH13T descending APPROVAL REUQEST DESCENDING.png


Chronologisch aus Sicht Sektor A:

Ich möchte DLH123 weit in Sektor B freigeben, weil es bei mir einen Konflikt löst oder weil ich dem Piloten etwas Gutes tun möchte. Ich Frage also bei B nach:


Koordination freie Übersetzung
A: Approval Request DLH123 DCT <WAYPOINT> Darf ich mit DLH123 direkt nach <WAYPOINT>?


...und er ist im Optimalfall damit einverstanden, antwortet also simpel mit "approved".


Nächstes Beispiel:

Koordination freie Übersetzung
A: Approval Request DLH123 *via <WAYPOINT/ROUTE>* climbing FL300? Darf DLH123 climbing FL300 einfliegen?

Warum fragt Lotse A? Weil entweder ein anderes Level im LoA abgemacht war oder Sektor B ihn at level, also ohne Vertikalmanöver erwartet. Dass Lotse A das Routing oder einen Wegpunkt mitgibt ist optional und dient nur dem Zweck, dass B direkt weiß, wohin er zu schauen hat. Das kann solche Koordinationen erheblich beschleunigen. Alternativ kann Lotse A auch eine Position mitgeben, à la "Approval Request DLH123, position DKB, climbing FL300?". Bei Positionsmeldungen sollten möglichst bekannte Orte genommen werden. VORs, größere Flugplätze oder bekannte Intersections sind beliebte und probate Mittel.


Weiter im Text, der Fall eines Drittsektors C:

Koordination freie Übersetzung
A: Approval Request DLH123, position <Örtlichkeit>, DCT <WAYPOINT>, FLx Darf ich mit DLH123 in Höhe x direkt nach Sonstwo durch deinen Sektor durch? Du warst übrigens vorher nicht geplant, dass dich dieser Flug interessiert.

Die saloppe Übersetzung rechts erläutert schon sehr präzise, worum es hier geht. Ein Flug ist über die Sektoren A und B geplant und ein Direktrouting oder eine Leveländerung bringt Sektor C ins Spiel. Dieser möchte natürlich zuvor gefragt werden, ob man seinen Luftraum nutzen darf. Die Anfrage ist schnell gestellt und das Approval eingeholt. In manchen Literaturen wird das auch als "Point out" oder "Release" bezeichnet, wir möchten aber die Begrifflichkeiten nicht zu sehr durcheinander werfen und uns auf das Wesentliche konzentrieren. Das wichtige ist, dass beide Parteien verstehen, worum es geht.

Request

Wenn ich möchte, dass mir mein vorheriger Sektor eine bestimmte Kondition erfüllt, dann sage ich ihm "Request". Oder "ich hätte gerne, dass...".

Diesmal aus Sicht des Sektors B, denn er erwartet von A einen Flieger:

Koordination freie Übersetzung
B: Request DLH123 direct <WAYPOINT>. Bitte bringe mir ihn on course <WAYPOINT>

Warum macht Sektor B soetwas? Es gibt 3 häufige Gründe:

  • Konfliktlösung
  • Entzerrung von Hotspots oder Vorstaffelung
  • Sprit sparen ;-)

Solche Requests müssen nicht nur für Wegpunkte ausgesprochen werden. Ein paar weitere Beispiele

Koordination freie Übersetzung
B: Request DLH123 speed 220 Bring ihn mir auf Speed 220
B: Request all inbounds speed 250 Alle Inbounds auf Speed 250, bitte (z.B. als APP nutzbar)
B: Request DLH123 at FL220 Ich brauche ihn in FL220


Der Request zählt zum stärksten Koordinationsmittel, denn es gilt in der Flugsicherung der Grundsatz:

The accepting unit states the condition.

Oder in germanisch: Der Gastgeber bestimmt, wer und wie reingelassen wird. Kapelle, bezahlen und Musik ;-)